Gute, schlechte und letzte Gitarren

Liebe Leser,

letzten Dienstag hatte ich pausiert. Ich habe nämlich schon viele Blogs ob der sturen Haltung ihrer Betreiber, so oft und so viel wie möglich zu veröffentlichen, zerbrechen sehen. Um diesem tragischen Schicksal zu entgehen, lege ich, wenn immer es mir zupass kommt, eine kreative Pause ein. Mit meinen Leseverhalten bei Blogs, denen ich folge, halte ich es übrigens ebenso.

So, nun aber diese Woche. Was war doch gleich das Thema? Ah, ganz unerwartet: Gitarren.

Manch einer hat davon gehört: Gitarristen haben bisweilen mehr als eine Gitarre. Das mag dem Uneingeweihten und auch dem eigenen Lebenspartner bisweilen seltsam vorkommen (“Du kannst doch nur eine einzige spielen…”), ist aber tatsächlich so. Sammeln ist ohnehin ein verbreitetes Übel.

[Hier mal eine harte Klammer, denn ich vermeide üblicherweise das Erzählen von Witzen. Der aber ist gut und passt zum Thema:

Der letzte Wunsch des Gitarristen? Dass seine Frau seine Gitarren nach seinem Tod KEINESFALLS für den Preis verkauft, den er ihr beim jeweiligen Kauf mitgeteilt hatte!

Eingeweihte haben’s schon geschnallt, der Rest darf gerne noch etwas grübeln. Klammer zu.]

Nun haben wir Gitarristen oder Gitarrenbesitzer ja immer das schlagende Argument, dass es gute und schlechte Gitarren gibt, wobei sich dies manchmal erst nach einigen Jahren herauskristallisiert. Von daher kann es ohne entsprechende Langzeittests eine Gewissheit geben, oder?

Wann aber können wir wissen, dass wir unser Trauminstrument in den Fingern halten? Und jetzt kommt die unschlagbare Weisheit aus über 40 Jahren Gitarrenbesitz: Niemals! Denn wenn die erste Zeit des Verliebtseins der Realität eines Bühnenalltags weicht, erkennt man, dass das Trauminstrument möglicherweise nicht für jede Gelegenheit geeignet ist. Die vollmundige Ankündigung ‘Meine letzte Gitarre!’ ist in etwa so realitätsnah wie das ‘Mein letztes Glas’ eines Alkoholikers oder ‘Meine letzte Zigarette’ eines Kettenrauchers. Kann mal stimmen, aus der Erfahrung heraus aber eher unwahrscheinlich.

Übrigens hilft bei der Suche nach der Traumgitarre, der Einen, dem Instrument der Instrumente, kein Studium der Musikwissenschaften, keine Ausbildung zum Instrumentebauer, nicht der legendäre Ruf einer Weltmarke, kein Auswahl-Algorithmus, keine jahrelange Recherche im Internet, nicht das unglaubliche Alter eines Instruments, nicht der Einsatz erheblicher finanzieller Mittel und auch nicht die fachkundige Expertise eines Freundes. Ich hatte schon schlechte USA-Gibson-Gitarren aus den 1930er Jahren und zwar übel beleumdete, aber dennoch hervorragende neue Epiphone-Gitarren aus Indonesien. Nehmt das Teil in die Hand, spielt darauf und hört, so albern sich das jetzt auch geschrieben liest, auf Euer Herz (oder zumindest auf Euer Bauchgefühl). Manchmal offenbaren sich Schwächen oder Probleme erst nach geraumer Zeit (zum Beispiel wenn Euch das Spiel mit bestimmten Hals-Formen auf Dauer Schmerzen bereitet). Dann habt Ihr eben Pech gehabt und müsst entweder a) einen guten Orthopäden mit leerem Terminkalender suchen (unwahrscheinlich) oder b) die Gitarre gewinnbringend verkaufen (auch unwahrscheinlich).

Sehr schnell festzustellen ist dagegen, dass eine potentiell zu erwerbende Gitarre eben NICHT Euer lange gesuchtes Trauminstrument ist. Zumeist setzt die Abneigung schon beim ersten Antesten ein. Da rettet übrigens auch ein engagierter Verkäufer mit eilig herbeigeschafftem Espresso nichts mehr, im Gegenteil! So am eigenen Leibe erfahren, beim ernsthaften Versuch, eine (zur damaligen Zeit schwer angesagte) Framus AZ10 zu erwerben. Ich hatte einen Sack voll Dukaten bei mir und der bereits mehrfach erwähnte Gitarrenhändler meines Vertrauens die nagelneue AZ10 schon handwarm bereitgestellt. Einem zügigen Kauf würde also nichts mehr im Weg stehen. Voller Vorfreude, mit zitternden Fingern, nahm ich das frisch produzierte Traditionsinstrument an mich, zupfte ein paar Töne… und war nach kurzer Zeit heftig enttäuscht. Die AZ10 klang akustisch wie eine Archtop mit laminierter Decke (leise und dünn) und auch anschließend verstärkt über den Amp gerade mal durchschnittlich. Für den stolzen Preis von über 2500 Euro meines Erachtens kein auch nur annähernd adäquater Gegenwert.

Mein umtriebiger Händler machte wie immer alles richtig. Er servierte mir einen Trost-Espresso (nicht den Überredungs-Espresso) und hatte sofort die Lage verstanden. Er versuchte erst gar nicht, mir die Framus “schön” zu reden, sondern bestärkte meine spontane Abneigung gegen diese Gitarre noch, indem er mich auf ein paar Details hinwies, bei der die Hersteller noch die Linie des guten Geschmacks verlassen hatten. Beispielhaft seien hier die modernen Festklemmeinheiten an dem sonst nach dem 1960er Original orientierten Instrument erwähnt, welche einfach gar nicht ins Bild passten. Der Drops war also gelutscht. Ich würde den Laden ohne AZ10, dafür mit besagtem Dukatensack verlassen.

Wäre da nicht – wie aus heiterem Himmel – die schöne, neue Höfner Chancellor (vergoldete Hardware, Violin-Finish, mit schwarzem Binding… schmacht!) ZUFÄLLIG im selben Raum gestanden. Eine Gitarre, die (für nur etwa 1000 Euro mehr) das Framus-Modell in allen Bereichen weit hinter sich ließ. Da Ihr inzwischen meine Willens- und Charakterstärke kennt und mir selbstverständlich der geradezu billige Verkäufertrick sofort bewusst wurde, könnt Ihr Euch das Ende der Geschichte natürlich denken. Nach blitzschneller wirtschaftlicher Analyse und gründlicher Abwägung der Vor- und Nachteile dieser eventuellen (Mehr-)Investition nahm ich die Höfner in die Hand, spielte ein paar Takte… und verwarf umgehend die ganzen rationalen Überlegungen. Ich hörte auf mein Herz und erwarb wenig später meine Traumgitarre. Meine allerletzte Gitarre!

Bis ich ein paar Jahre später auf die Modelle des Augsburger Gitarrenbauers Stefan Sonntag stieß…

Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Euer

Gige   

8 Kommentare zu „Gute, schlechte und letzte Gitarren

    1. Ja, schön dass es geklappt hat. Ich bin aber auch oft nur schwer erreichbar…
      Kann es übrigens sein, dass auf Deinem wunderschönen Blog / Deiner wunderschönen Website gar kein „Gefällt mir“-Button zur Verfügung steht? Da kann man ja gar nicht auf die Schnelle Anerkennung zollen…

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      1. Nun, aber genau das macht den Unterschied aus. Der nicht vorhandene „Gefällt mir“ – Button. Ich versuche Ihn zu vermeiden. Das was du jetzt geschrieben hast, ist mir 10mal lieber, als ein Gefällt mir „! Und ein paar Zeilen sollten schon drin sein ?!

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      1. Ach, schade. Das hätte ich wohl an dich weitergeben müssen. Am 10.8.war das Konzert im Botanischen Garten. Es war großartig und ich schreibe gerade an einen Review.

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